Disziplinarrecht
 

Aktuelle Entscheidung des VG Düsseldorf vom 25.12.2010 zum Streikrecht beamteter Lehrer :

Auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bleibt es dabei, dass in Deutschland Beamte nicht streiken dürfen. Tun sie dies gleichwohl (hier: Lehrerin), so begehen sie ein Dienstvergehen, das die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach sich zieht. 2. Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme (hier: Geldbuße) wegen der Streikteilnahme ist indessen unzulässig, wenn der Beamte nicht zu dem in Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK beschriebenen Kernbereich hoheitlicher Staatsverwaltung gehört. In derartigen Fällen ist das Disziplinarverfahren vielmehr einzustellen, da nur so der EMRK Rechnung getragen werden kann (völkerrechtsfreundliche Auslegung).

 

mitgeteilt von RA Moritz (Fachanwalt für Verwaltungsrecht) 

von Strafgerichtsurteilen


Überschneidung von Disziplinarverfahren mit anderen Verfahren (Strafverfahren)


Das zeitlich Zusammentreffen von Disziplinarverfahren mit Strafverfahren oder anderen Verfahren hat eine besondere Relevanz:


Es bewirkt oft die Aussetzung (Ruhen) des Disziplinarverfahrens , vgl. 22 BDG, wobei die tatbestandlichen Ergebnisse des anderen Verfahrens, insbesondere des Strafgerichtsurteils, übernommen werden (sog. Bindung an tatsächliche Feststellungen aus Strafverfahren oder anderen Verfahren)


§ 23 Bundesdisziplinargesetz:


(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend.


(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden.


Grundsätzlich auch § 57 Bundesdisziplinargesetz für das Disziplinarverfahren vor dem Disziplinargericht.


Abweichungen / Durchbrechungen der tatbestandlichen Feststellungen aus dem Strafverfahren sind im Einzelfall möglich. Dennoch muss bereits im Strafverfahren der Blick der Verteidigung auch auf das zeitlich noch nachfolgende Disziplinarverfahren gerichtet werden, um böse Überraschungen zu vermeiden.


Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierzu im Beschluss vom 24.07.07 - 2 B 65 / 07 - fest:

1. Die Lösung von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafurteils ist nur zulässig, wenn das Disziplinargericht ansonsten auf der Grundlage eines unrichtigen Sachverhalts entscheiden müsste.

2. Darüber hinaus kommt eine Lösung in Betracht, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen, und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen.

3. Eine dem Strafurteil zugrunde liegende Urteilsabsprache lässt die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung nicht ohne weiteres entfallen. Vielmehr setzt eine Lösung von den Tatsachenfeststellungen eines solchen Strafurteils voraus, dass die Absprache wesentlichen Anforderungen nicht genügt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zulässigkeit von Urteilsabsprachen unerlässlich sind (vgl. grundlegend BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 03.03.05 - GSSt 1/04 - NStZ 2005, 389). Ein Strafurteil, das auf einer unzulässigen Absprache beruht, gilt als unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen.


Kommt es im Strafverfahren zu einer Bestrafung oder einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Buße, so ist eine disziplinarrechtliche Ahndung nur noch unter bestimmten Bedingungen zulässig - § 14 BDG.


Der hier oftmals bemühte Begriff „Verbot der Doppelbestrafung“, geht am Problem vorbei, weil eine Disziplinarmaßnahme eben keine Strafe ist, sondern die Erziehungsfunktion im Vordergrund steht.


Aus Art. 103 III GG folgt aber, dass die Sanktion verhältnismäßig sein muss, so dass sich allenfalls ein "beschränktes Maßnahmeverbot" ergibt, das dann sehr allgemein in § 14 BDG geregelt ist.


Das neue Gesetz (§ 14 BDG) enthält gegenüber der früheren BDO eine umfassendere,  für die Beamten günstigere Regelung. Erfasst wird jetzt auch mit Einschränkungen der Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO.


§ 14 BDG lautet nunmehr:

(1.) Ist gegen einen Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, darf wegen desselben Sachverhalts

1. ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden,

  1. 2.eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.


(2.) Ist der Beamte im Straf- oder Bußgeldverfahren rechtskräftig freigesprochen worden, darf wegen des Sachverhalts, der Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gewesen ist, eine Disziplinarmaßnahme nur ausgesprochen werden, wenn dieser Sachverhalt ein Dienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldvorschrift zu erfüllen.


Im Zuge der Dienstrechtsneuordnung wurden nachträglich in § 14 (1) Nr. 2 die Wörter "oder eine Zurückstufung" gestrichen (BGBl. I 2009 S. 255). Der Gesetzgeber räumte mit diesen Änderungen Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts aus, welches in mehreren Entscheidungen große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des neu geschaffenen Rechts anmeldete. 


Achtung: Eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr, bei bestimmten Delikten aber schon von sechs Monaten oder mehr, kann unmittelbar den Verlust des Beamtenstatus bedeuten.


Statusverlust durch Strafgerichtsurteil


Jeder Beamte weiss wohl, dass er seine Beamtenrechte verliert, wenn er durch Urteil eines Strafgerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, selbst dann wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Regelung gilt auch bei Gesamtstrafenbildung wegen mehrerer vorsätzlicher Taten. Seit 2009 reicht bei bestimmtenn Delikte bereits eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zum Verlust der lieb gewonnenen Beamtenrechte


Voraussetzung ist aber stets ein Urteil, i. d. R kein Strafbefehl. Die Neufassung des Beamtenstatusgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes 2009 dürfte hieran wohl nichts ändern.


Nachstehend einzelne Bestimmungen hierzu: 


§ 24 Beamtenstatusgesetz: Verlust der Beamtenrechte


(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder

2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.


(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.



§ 41 Bundesbeamtengesetz ab 12.02.2009: Verlust der Beamtenrechte


(1) Werden Beamtinnen oder Beamte im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder

2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils.

Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Wahrnehmung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn Beamtinnen oder Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt haben.


(2) Nach Beendigung des Beamtenverhältnisses nach Absatz 1 besteht kein Anspruch auf Besoldung und Versorgung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem Amt verliehenen Titel dürfen nicht weiter geführt werden.



Es gibt für Beamte im Ruhestand aber eine differenziertere Regelung im Beamtenversorgungsgesetz. Unterschieden wird zeitlich, ob die zugrunde liegende Tat vor oder nach der Versetzung des Beamten in den Ruhestand begangen wurde. Deshalb kann es im Strafverfahren von wesentlicher Bedeutung sein, dass die Regeln über die Gesamtstrafenbildung (gleichzeitiger Aburteilung mehrerer Taten in einem Strafprozess) mit Blick auf die disziplinarischen Konsequenzen beachtet werden.